Sehr geehrte Ratsfrau, sehr geehrter Ratsherr,
die
Bürgerinnen und Bürger Cloppenburgs schauen auf Sie. Am 17.12 können Sie im
Stadtrat über das geplante „Soeste-Carré“ abstimmen. Wir möchten Sie mit diesem
offenen Brief ein letztes Mal an die Ängste und Sorgen vieler Cloppenburger vor
dem „Carré Cloppenburg“ erinnern. Wir appellieren an Ihr politisches Gewissen,
dieses Projekt, verbunden mit all seinen Risiken und Gefahren, endgültig zu
stoppen. Enthalten Sie sich nicht der Stimme, sondern lösen Sie sich von
falschen Verpflichtungen und vertreten Sie den Willen der Bürger: Stoppen Sie
das Soeste-Carré!
Eine
Vielzahl von gewichtigen Argumenten spricht unserer Meinung nach gegen das ungeliebte
Carré-Projekt: Hochwasserschutz, Zersplitterung der Innenstadt,
Verkehrskollaps, Rettung des Grünen Gürtels, rechtliche Bedenken und ein
eindeutiger Bürgerwille sind die wichtigsten Gründe unseres Widerstands.
Die obere
Lange Straße erlebt seit der Ansiedlung mehrerer überregionaler Firmen wie „H&M“
und „Depot“ ein wirtschaftliches Hoch, wohingegen die Mühlenstraße und Teile
der Bahnhofstraße weiterhin in einer wirtschaftlichen Misere verharren. Die
gesetzten Hoffnungen in das Carré Cloppenburg, die Innenstadt zu stärken,
können wir nur begrenzt nachvollziehen. Womöglich könne die obere Lange Straße
an geringen Umsätzen des Carré partizipieren, die eigentlichen Sorgenkinder
unserer Innenstadt hingegen werden nicht berücksichtigt. Zunächst ist es
zweifelhaft, ob überhaupt messbare Kundenströme den Weg über die Soestestraße
in die Fußgängerzone wagen. Nicht ohne Grund schreibt die GMA (Gesellschaft für
Markt- und Absatzforschung) in ihrem Einzelhandelskonzept für die Stadt
Cloppenburg von einer „Sperrwirkung durch die Soestestraße“. Aus diesem und
weiteren Gründen rät die GMA von einem großflächigen Einzelhandel in der
Soeste-Niederung ab. Die Geschäftsleitung eines nächstgelegenen Supermarkts („Markant“)
hat angekündigt, dass bei einer dortigen Ansiedlung der Weiterbetrieb Ihres
Geschäfts aller Voraussicht nach eingestellt wird. Darüber hinaus bleibt fraglich, wer nach Einkauf von (gekühlten)
Lebensmitteln noch Lust und Zeit besitzt zum Shoppen weiterer Produkte im
Innenstadtbereich. Letztendlich wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit kein
Carré-Kunde in das untere innerstädtische Versorgungszentrum, sprich Mühlen-
und Bahnhofstraße, „verirren“. Eine weitere großflächige Bebauung im „oberen“
Bereich entzweit noch weiter die ohnehin gespaltene Innenstadt. Diese
Zersplitterung muss mit einer verstärkten Konzentration auf den unteren,
wirtschaftlich schwächeren Abschnitt verhindert werden. Ein großflächiger
Einzelhandel, dessen Kundenströme zuerst die Bahnhofstraße/Mühlenstraße
erreichen, wäre hingegen eine echte Stärkung. So könnte ein jahrzehntelanges
Ungleichgewicht unserer Innenstadt nachhaltig behoben werden.
Die
Soestestraße im Bereich der Lange Straße und der Bürgermeister-Heukamp-Straße
ist schon heute zu Stoßzeiten enorm ausgelastet. Laut Berechnungen der GMA sind
jeden Tag bis zu 10.000 Kfz auf den innerstädtischen Hauptstraßen unterwegs.
Als Autofahrer wissen Sie wahrscheinlich selber, dass die
„Verkehrsschmerzgrenze“ erreicht ist und vielmehr eine Beruhigung vonnöten wäre.
Nach Berechnungen des Investorgutachtens könnten durch die „Molberger-Auffahrt“
knapp 1/5 der Verkehre herausgenommen werden. Im Gegenzug werden jedoch
aufgrund des „Soeste-Carré“ ca. 2.500 neue Verkehre in die Innenstadt geführt.
Die Quantität würde sich nach Berechnungen zwar nur geringfügig steigern, die
Qualität des Verkehrs hingegen ändert sich erheblich. Durch die dann neu
geschaffene „Plus“-Kreuzung und die kurzfristigen An- und Abfahrten am
Supermarktgelände würden erhebliche Verkehrsbelastungen verursacht, die zu
Stoßzeiten einem Verkehrskollaps gleichkämen. Die Verkehrssituation würde sich
drastisch verschlechtern!
Nach
Vorgaben des städtebaulichen Rahmenplans „Innenstadt“ sollten „Grünflächen“,
insbesondere „entlang der Soeste“, erhaltet oder gar ausgeweitet werden. Zitat
Seite 26: “Die gewässerbegleitenden Wege
mit Brücken, Stegen und Stufen, die bis zum Wasser führen, machen den Fluss
erlebbar und binden den Grünzug in das innerstädtische Wegenetz ein. Die vorhandenen
alten Bäume sollen, soweit möglich, erhalten werden. Besonders problematisch
sind hierbei die stark konkurrierenden Nutzungsansprüche an die zur Verfügung
stehende Fläche (Natur/Grün/Wasser vs. Bebauung); […]Aus städtebaulicher Sicht sollte
aber in jedem Fall eine – zumindest teilweise – Aufweitung der bestehenden
Grün- und Freiflächen entlang der „Soeste“ das Ziel sein.“ Die Soeste-Niederung ist keineswegs eine „Müllhalde“, sondern ein seit
Langem unberührtes Naturreservoir, das aufgrund seiner Beschaffenheit zwar
nicht naturrechtlich gesichert ist, dennoch wegen seiner atmosphärischen
Vorteile für Spaziergänger und Fahrradfahrer schützenwert bleibt. Wahrscheinlich
sind Sie schon selbst einmal entlang der Soeste zum Ambührener See geschlendert
und können diesen „grünen Gedanken“ daher gut nachvollziehen. Auswärtige
Investoren können das vielleicht nicht, gebürtige Cloppenburger hingegen schon.
An Wandertagen sind dort ebenfalls etliche Schulklassen anzufinden. Nach Bau
des Carré wäre dies in Zukunft nur noch bedingt möglich. Entlang von
Einkaufswagen und Seitenwänden eines Einkaufszentrums lässt es sich nur
spärlich entspannen.
Nach den
überarbeiteten Plänen des Investors werden weiterhin Flächen des ausgewiesenen
Überschwemmungsgebiets beansprucht. Hochwasserschutz gilt in der Politik nicht
als populär. Die Ergebnisse einer guten Hochwasserschutz-Politik sind
kompliziert messbar und nur schwer den Wählerinnen und Wählern zu erklären. Die
Folgen einer verfehlten Politik hingegen sind bei Eintritt eines Unglücks
unmittelbar spürbar und nur unter großem finanziellem Aufwand zu beheben. Die
Pläne des Investors zur Hochwasserbekämpfung wurden erst nach intensiven
Protesten der Bürger und Beschwerden der unteren Wasserbehörde des Landkreises,
welche immer noch erhebliche Bedenken äußert, verbessert und können in der
Theorie den Anforderungen wahrscheinlich standhalten. Die gegenwärtige Praxis
hingegen kann den Bürgerinnen und Bürger Schutz vor möglichem Hochwasser sicher
bieten. Warum die sichere Praxis gegen eine rechnerisch ermittelte Theorie
ersetzen? Hochwasserschutz sollte Vorrang vor grenzenlosem Wachstum haben.
Für die
Bebauung in einem Überschwemmungsgebiet bedarf es bekanntermaßen einer Ausnahmegenehmigung.
Die zuständige ‚Untere Wasserbehörde‘ hatte sich bis zuletzt gesträubt und sich
erst nach politischem Druck den Carré-Befürwortern gebeugt, den Plänen zuzustimmen.
Eine Ausnahmegenehmigung setzt die Alternativlosigkeit des Standortes voraus.
Im Bereich der Mühlenstraße, der Deutschen Post, des Pieper-Geländes oder der
hinteren Kaufhalle bieten sich Einzelhandelsflächen an, die entweder
kleiner/größer oder aufgrund der Eigentümerverhältnisse etwas teurer als die
Fläche an der Soestestraße sind. Dennoch sind es alternative Bereiche, die dem
Gedanken der Alternativlosigkeit widersprechen. Schon jetzt ist bekannt, dass
mehrere Anwohner bei Erteilung einer Baugenehmigung juristischen Widerspruch
einlegen werden. Eine Anfechtungsklage hätte nach Einschätzung des Oberstaatsanwalts
Südbeck Aussicht auf Erfolg. Darüber hinaus könnte eine einstweilige Anordnung,
die die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes auf unbestimmte Zeit aufschiebt, das
Bauvorhaben um Jahre verzögern, was faktisch zur Beendigung der Carré-Planungen
führen würde. Jahrelange, kostenintensive verwaltungsrechtliche Streitigkeiten
könnten der Stadt Cloppenburg bevorstehen und die Entwicklung der Innenstadt
zum Stillstand bringen. Dieser juristische Rattenschwanz muss bei Ihrer Entscheidung
berücksichtigt werden.
Wir alle
wollen, dass Cloppenburg seinen erfolgreichen Weg der letzten Jahre fortführt.
Cloppenburg ist als Mittelzentrum für viele Investoren von großer Bedeutung und
wird dies auch in Zukunft sein. Nicht ohne Grund sind in bestimmten Bereichen
der Lange Straße schon heute enorme
Mietpreiserhöhungen zu verzeichnen (Café Venezia, Café Burwinkel, Ulla Popken
etc.). Die Carré-Planungen sind keineswegs die "letzte Chance für
Cloppenburgs Stadtentwicklung". Im Gegenteil, sie sind lediglich der
Anfang vieler Anfragen finanzpotenter Investoren und Firmen. Die Pläne zur
"Soeste-Galerie", zum "Altstadt-Center", zum Umbau des
Postgebäudes oder die interessanten Planungen zur Weiternutzung des
Piepergeländes versprachen und versprechen eine großartige Zukunft.
Viele
Befürworter des „Soeste-Carré“ begründen ihre Zustimmung allein aus Sympathie
zu MediaMarkt. Vielen Kritiker ist das geplante KAUFLAND ein Dorn im Auge.
Politik sollte jedoch weder für noch gegen ein Unternehmen arbeiten! Politik
sollte Distanz wahren und lediglich den Rahmen bestimmen. Das passende Bild
dazu malt die Wirtschaft.
Die
Rahmenbedingungen sind wie beschrieben unzureichend, unbeliebt und gefährlich.
Sie, als gewählter Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, stehen unter enormen
Druck. Sie werden umgarnt und gehegt
seitens eines Investors, der geschickt im Rücken der Öffentlichkeit Verhandlungen
und Gespräche mit einzelnen Ratsmitgliedern aller Parteien führt. Geben Sie unserer Stadt und deren politischen
Vertretung das Selbstbewusstsein und die Unabhängigkeit, die es verdient hat.
Wer in Cloppenburg nur unter Bedingungen und mit Partnern investieren will, die
die Bürgerinnen und Bürger Cloppenburgs vehement ablehnen, hat selber schuld,
wenn er seine Chance verspielt. Die zahlreichen Investoren-Anfragen bestätigen
unseren selbstbewussten Widerstand. Cloppenburg darf sich nicht unter Wert
verkaufen.
Gewichtige
Argumente gegen das „Soeste-Carré“ sind nicht von der Hand zu weisen. Die Carré-Planungen
sprechen im Grunde genommen gegen alle Gutachten, die die Stadt Cloppenburg unabhängig
vom Bauvorhaben in der Vergangenheit in Auftrag gegeben hat. Dementsprechend
haben sich viele Cloppenburger Organisationen, Vereine und Parteien solidarisch
gegen das Carré-Projekt ausgesprochen: Jusos Stadt Cloppenburg, Junge Union
Stadtverband Cloppenburg, SPD Ortsverein, Bündnis90/Die Grünen Cloppenburg,
weite Teile des CDU Stadtverbands, Niedersächsischer Heimatbund, NABU, BUND und
Vertreter der Industrie- und Handelskammer (IHK). Darüber hinaus haben
insgesamt mehr als 1800 Bürgerinnen und Bürger in einer Petition Anfang des
Jahres Ihre Bedenken kundgetan, davon ca. 1400 Unterschriften in örtlichen
Geschäften und weitere 400 Unterzeichnungen im Internet. Das ist für
Cloppenburg außergewöhnlich und bislang ein einmaliger Vorgang. Solch einen
parteiübergreifenden Widerstand hat es in der jüngeren Vergangenheit noch nicht
gegeben. Dieser eindeutig ablehnende Bürgerwille spiegelt sich in unzähligen
Leserzuschriften der MT/NWZ wider.
Auch auf
den öffentlichen Veranstaltungen in der
Stadthalle haben sich zahlreiche Bürger kritisch zur Wort gemeldet und sich
vehement gegen das „Soeste-Carré“ ausgesprochen. Das Cloppenburg Carré würde somit gegen die Stimmen vieler Bürger
durchgesetzt. Bedenken dürfen in Cloppenburg zwar geäußert werden, aber damit
ist die so geschätzte Bürgerbeteiligung dann auch getan. Als Ratsmitglied
sollten Sie jedoch primär auf die Stimme des Bürgers hören und nicht
bedingungslos einer Partei- und Fraktionslinie folgen. Wenn man mit der
Brechstange das Carré durchsetzt, wird es nicht dazu führen, dass diese Bürger
den Slogan "Ich lebe gern in dieser Stadt" offen vor sich hertragen.
Und was könnte wichtiger sein, als die Menschen "mitzunehmen",
mitgestalten zu lassen. Wir appellieren an Sie, Mut zu beweisen und die
Interessen der Bürger zu vertreten. Die Investorgruppe „Genos“ hat in den vergangenen
Monaten bekanntermaßen mit vielen Ratsmitgliedern öffentliche und diskrete Gespräche
geführt. Möglicherweise sind auch Sie mit den Investor in Kontakt getreten.
Vielen Cloppenburgern stößt dieses Geschacher übel auf und bestätigt ihre
negative Meinung über politische Entscheidungsabläufe. Widerlegen Sie diese
Befürchtungen vieler Bürger. Vertreten Sie als Stadtrat den Willen der Bürger:
Stoppen Sie das Soeste-Carré!
Wir
appellieren an Ihr politisches Gewissen!
Mit
freundlichen Grüßen
Jusos Stadt Cloppenburg
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