Sonntag, 8. April 2012

Gezwungene Stille

Am Freitag war Karfreitag* – ein stiller Feiertag zur „seelischen Erhebung“.  Das  hatte zur Konsequenz, dass öffentliche Tanzveranstaltungen am gestrigen Freitag untersagt wurden. Dementsprechend hatte die einzige Großraumdiskothek unserer Stadt - das Bel Air – geschlossen. Theoretisch hätte das Bel Air ab 24 Uhr, nach Ablauf des Tanzverbots, öffnen können, so praktizierte es nämlich der ‚ Extra – Musicpark‘. Die Türen blieben jedoch geschlossen.

Gegen das gesetzlich verhängte Tanzverbot regt sich schon seit Jahren ein immer wiederkehrender Protest vornehmlich aus Reihen der politischen Jugendorganisationen. So wollten letztes Jahr Vertreter der Grünen Jugend das Verbot umgehen. Diesmal versuchten die Jungen Piraten die gezwungene Stille öffentlichkeitswirksam  aber mit ähnlich wenig Erfolg über den Rechtsweg zu verhindern. Ein Antrag beim Bundesverfassungsgericht wurde ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig abgetan. Trotz großer medialer Aufmerksamkeit versammelten sich lediglich knapp 200 Menschen in Köln am Dom, um ihren Unmut kundzutun.
 
Die gesetzliche Regelung für einzelne Feiertage wird konkret in den Bundesländern ausgestaltet. Ihre verfassungsmäßige Rechtfertigung findet sich findet sich aber in Art. 140 Grundgesetz: 

„Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt.“

Neben dem ‚Tag der Arbeit‘ am 1. Mai und dem ‚Tag der deutschen Einheit‘ am 3. Oktober sind die meisten gesetzlichen Feiertage christlichen Ursprungs. Feiertage haben der Arbeitsruhe auch eine funktionale Bestimmung. Sie dienen der in Art. 4 Grundgesetz gesicherten Religionsfreiheit.  Ein gesetzlich festgelegter Feiertag unterstützt Glaubensangehörige in der Ausübung und Verwirklichung ihrer Religion. 

Es ist natürlich nicht wegzureden, dass insbesondere das Christentum einen enormen Einfluss auf unsere Kultur und Gesellschaft besaß und immer noch begrenzt besitzt – ohne den chauvinistischen Begriff der ‚Leitkultur‘ verwenden zu wollen. Und so gibt es in Deutschland trotz zahlreicher Skandale und zunehmender Kirchenaustritte immer noch 24 Millionen Christen. Auf ihre Religionsfreiheit muss demnach Rücksicht genommen werden – notfalls so, dass anderen Menschen eine gewisse ‚Stille‘ aufgezwungen wird, damit der „ernste Charakter“ des Feiertages geschützt bleibt. 

Dass sich feierwürtige Partygänger darüber nicht erfreuen, ist bedingt nachvollziehbar. Dennoch sollte in einer multikulturellen Gesellschaft auch auf solche Bräuche Rücksicht genommen werden. Toleranz kann sich auch in einer Form der Zurückhaltung und Stille widerspiegeln. Ein friedliches Miteinander wird nur durch Rücksicht auf Sitten und Bräuche Andersdenkender funktionieren.
 Um  eine „gewisse Gleichberechtigung“ zu schaffe, wäre es jedoch angebracht, zu diskutieren, ob nicht auch anderen  großen Glaubensgemeinschaften das Privileg eines eigenen, gesetzlichen Feiertages zugestanden werden sollte. Ich kann nachvollziehen, dass sich viele Juden und Muslime benachteiligt fühlen und eine stärkere Berücksichtigung ihrer Sitten und Bräuche verlangen. Es ist zwar unrealistisch, dass etwas dahingehend unternommen wird, trotzdem ist der Gedanke lohnenswert.  
Ein Feiertag zu Beginn des Ramadan- oder Pessachfestes? Warum nicht?!



*Karfreitag: Der Karfreitag ist im Zusammenhang mit Ostern für die Christen einer der höchsten Feiertage. An ihm gedenkt die Kirche des Todes Jesu Christi in Erwartung seiner Auferstehung.

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