Eine „russische Partnerschaftsstadt“ und „weniger Scheinheiligkeit“ in der Integrationsdebatte wünschen sich die Cloppenburger Jungsozialisten nach einem Gespräch mit der Geschäftsführerin des Heimatvereins der Deutschen aus Russland Nadja Kurz.
Anlass des Zusammentreffens waren laut Jusos nämlich die „besorgniserregenden Entwicklungen“ in Teilen der russlanddeutschen Gemeinde in jüngerer Vergangenheit. „Einige Bestrebungen und Aktionen einzelner Spätaussiedler haben uns dazu bewogen, dass direkte und offene Gespräch mit Frau Kurz vom Heimatverein zu suchen. Es ist wichtig, in diesen Zeiten miteinander statt übereinander zu reden", erklärt der Jusos-Vorsitzende Jan Oskar Höffmann die Hintergründe des Treffens. „Frau Kurz hat uns hier einen spannenden Überblick über die wichtige Arbeit des Heimatvereins verschafft.“ Die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes stehe dabei stellvertretend für die „größtenteils erfolgreiche Integration“ der Spätaussiedler.
„Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Integration in Teilen nicht gelungen ist. Wenn eine Grundschullehrerin von russlanddeutschen Elternvertretern massiv angegangen wird, weil sie deren Kindern Mandalas malen lässt, läuft etwas gehörig schief. Ein solches Verhalten hinzunehmen, wäre falsch verstandene Toleranz“, betont Höffmann. „Zum Teil ist das Vorhandensein von Parallelgesellschaften nicht zu leugnen. Das Grundgesetz muss auch in diesen Schichten als Leitkultur anerkannt werden. Wir dürfen diese Menschen aber nicht verloren geben, sondern müssen sie unsere Mitte holen.“ Hierbei sei es wichtig, die Grundwerte einer „modernen und liberalen“ Gesellschaft zu verteidigen.
„Die Schuld für die jüngsten Entwicklungen aber allein der russlanddeutschen Gemeinde zu geben, ist mehr als scheinheilig. Über Jahrzehnte hinweg hat die politische Mehrheit versagt, Verantwortung an Spätaussiedler abzugeben. Russlanddeutsche wurden nur als Stimmvieh angesehen, statt sie ernsthaft einzubinden“, kritisiert der Jusos-Vorsitzende Höffmann. „Natürlich ist die Politikskepsis in diesen Kreisen hoch. Aber dann muss man auf diese Menschen zugehen und sie abholen. Stattdessen wurde ihr gesellschaftlicher Einfluss jahrelang bewusst klein gehalten.“
Wenn auf einer Schulabschlussfeier ausschließlich russlanddeutschen Pastoren kein Rederecht eingeräumt werde, obwohl 80 Prozent der Kinder aus Spätaussiedlerfamilien stamme, zeuge das von einem mangelndem Respekt gegenüber dieser Kultur. Die „identitätsstiftende Funktion“ der Religion werde hier völlig verkannt, so die Jusos. „Dann dürfen wir uns über bestimmte Abspaltungstendenzen auch nicht wundern.”, konstatiert stv. Vorsitzende Hannes Grein.
Die Geschäftsführerin des Heimatvereins appellierte dabei, die russlanddeutsche Gemeinde nicht zu „pauschalisieren“. „In Cloppenburg leben ca. 7000 Spätaussiedler. Die meisten von uns wollen Teil dieser Gesellschaft sein und Verantwortung übernehmen“, so Kurz.
Die Jusos teilen diese Einschätzung und wünschen sich daher einen Ausbau der russisch-deutschen Beziehungen. „Wir sollten die russische Kultur in Cloppenburg nicht als Stigma, sondern als Bonus sehen. Durch eine Partnerschaftsstadt in Russland oder Kasachstan könnten neue Möglichkeiten der Begegnung beider Kulturen geschaffen werden. Wir würden uns über ein 2. Bernay sehr freuen", betonen die Jungsozialisten.
Die Partnerschaft mit Bernay habe nämlich gezeigt, welch positiven Erfahrungen und Erlebnisse zweier Länder möglich seien. So wären in Zukunft beispielsweise Sprachreisen nach Russland und Austauschprogramme von Schulklassen denkbar. Hierzu bedürfe es eines schulischen Angebots, Russisch als zweite Fremdsprache wählen zu können. Darüber hinaus könne auch die regionale Tourismuswirtschaft von einem Austausch nachhaltig profitieren. „Wir sehen hier große Chancen für alle Beteiligten. Jedenfalls müssen wir in Zukunft neue Wege der Integration wagen“, stellt Hannes Grein fest.
Nadja Kurz zeigte sich „begeistert“ von den Ideen der Jusos: „Eine Städtepartnerschaft auf Augenhöhe wäre eine tolle Sache. Solche Projekte fördern das Miteinander.“ Sie unterstütze derartige Pläne „vollumfänglich“. Die Parteijugend wolle ihre Idee einer Partnerschaftsstadt daher im neuen Stadtrat parteiübergreifend diskutieren.
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